Diss. Frankfurt (Oder) 2018, Mohr Siebeck, Schriften zum Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, Bd. 62, XXIV + 352 Seiten)
Zur wirtschaftlichen Betätigung bedienen sich zahlreiche Kommunen 100-prozentiger Tochtergesellschaften mbH. In Zeiten angespannter kommunaler Haushalte stellt sich mehr denn je die Frage, ob und in welchem Umfang die Trägerkommune für die Verbindlichkeiten solcher Gesellschaften haften muss. Einerseits ist die Haftungsbeschränkung nach § 13 Abs. 2 GmbHG Wesensmerkmal der GmbH, andererseits drohen die Kosten staatlicher Tätigkeit in der Insolvenz der Eigengesellschaft auf die Gesellschaftsgläubiger abgewälzt zu werden. Carsten Schirrmacher beschäftigt sich mit den bislang noch kaum untersuchten Einflüssen verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Wertungen auf Funktionalität und Wirkungsweise des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzsystems, namentlich auf die Kapitalerhaltung, die materielle Unterkapitalisierung, die Durchgriffshaftung und insbesondere den existenzvernichtenden Eingriff.
Obgleich Regelungen zur Notgeschäftsführung im geschriebenen Recht der Personengesellschaften nicht existieren, besteht seit fast einem Jahrhundert weitgehend Einigkeit, dass die Gesellschafter zur Geschäftsführung auch gegen den Widerspruch der Mitgesellschafter zur Abwendung drohender Schäden von der Gesellschaft berechtigt sind. Dies wird auf einen Analogieschluss zu § 744 Abs. 2 BGB gestützt. Dieser führte zuletzt weitgehend interessengerechte Ergebnisse herbei, überzeugt jedoch in Grenzbereichen nicht. Zum Schluss der vom Personengesellschaftsrecht gelassenen Lücke bietet sich daher eine Analogie zum jüngeren und sachnäheren § 21 Abs. 2 WEG an. Dafür streitet neben der strukturellen Ähnlichkeit der Personengesellschaft zur Wohnungseigentümergemeinschaft auch die Vergleichbarkeit der jeweiligen Geschäftsführungsregelungen. Die vorgeschlagene Analoge zu § 21 Abs. 2 WEG klärt systemkonform einige von den §§ 744 f. BGB offen gelassenen Fragen und führt auch in den angesprochenen Grenzbereichen interessengerechte Ergebnisse herbei.
Zugleich Besprechung von BGH, Urteil vom 26.6.2018 – II ZR 205/16 = NJW 2018, 3014
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Nachdem die Schutzgesetzeigenschaft des § 15a InsO (bzw. seiner Vorläufervorschriften in den § 64 I GmbHG, § 92 AktG) zugunsten der Gesellschaftsgläubiger seit langem geklärt ist, ging mit BGHZ 126, 181 eine grundlegende Neuerung einher: nämlich insoweit, als „Neugläubiger“ seitdem nicht mehr nur ihren Quotenschaden, vielmehr auch ihr negatives Interesse, ihren Vertrauensschaden infolge der Insolvenzverschleppung ersetzt verlangen können. Die ganz h. L. gesteht diesen Schutz jedoch nur jenen „Neugläubigern“ zu, die zu einem Zeitpunkt nach Insolvenzreife frisches Fremdkapital zuschießen, während Neugesellschafter, geschweige denn Zweiterwerber von Fremd- oder Eigenkapitalpositionen nicht zum Schutzbereich der Insolvenzantragspflicht gehören sollen. Vorliegender Beitrag stellt diese Position in Frage und zeigt, dass darüber hinaus richtigerweise nicht nur Zeichner und Übernehmer neuer Anteile, sondern auch Zweiterwerber von Fremd- oder Eigenkapitalpositionen ihren infolge der Insolvenzverschleppung erlittenen Vertrauensschaden von den verantwortlichen Geschäftsleitern ersetzt verlangen können – und zwar ohne dass damit die von der h. L. behaupteten systematischen und ökonomischen Verwerfungen verbunden wären.
Gemeinsam mit wiss. Mitarb. Björn Schneider
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Dr. Carsten Schirrmacher
c/o Justus-Liebig-Universität Gießen
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